Tashnuva Anan

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Transgender in Bangladesch, Drei Minuten Ansage an alle

April 19, 2021 English
Transgender in Bangladesch, Drei Minuten Ansage an alle

Tashnuva Shishir wurde ausgegrenzt, vergewaltigt, von ihrer Familie verstoßen. Dann wurde sie die erste Transgender-Nachrichtensprecherin in Bangladesch. Eine Bühne, die sie nutzt. ‍

Dafür, dass es die schwierigste Frage von allen ist, gibt es auf der Welt wenig Anerkennung für Menschen, die eine Antwort darauf gefunden haben: Wer bin ich?

Bevor Tashnuva Shishir herausfand, wer sie ist, und bevor sie zu Bangladeschs erster Transgender-Nachrichtensprecherin wurde, bestand ihr Leben, wie sie sagt, ausschließlich aus unermesslichem Schmerz. Aus dem Kampf, irgendwo dazuzugehören. Nun ist ihre Geschichte eine, die Vielen Hoffnung macht.

Shishir, 29 Jahre, aus einer konservativ-muslimischen Familie aus dem Süden von Bangladesch, wurde in der Schule geschubst, geschlagen, als schwach und krank beschimpft, von einem Onkel vergewaltigt. Der Vater hörte auf, mit ihr zu sprechen. Irgendwann tippte Shishir in die Suchmaske bei Google:

»Gibt es noch mehr Menschen wie mich?«

Sie fand heraus, dass es noch mehr Menschen wie sie gibt, und lernte ein Wort dafür, transgeschlechtlich. »Ich war gefangen in einem männlichen Körper mit einem männlichen Namen«, sagt sie. »Aber ich bin trans, und ich bin eine Frau.«

Als die Familie Shishir endgültig verstieß, sei sie dann mit 15 allein in die bangladeschische Hauptstadt Dhaka gekommen, in einen Slum, ohne Essen und ohne Wohnung, erzählt sie. Ärzte, an die sie sich wandte, stellten die Diagnose »psychisch krank« und verschrieben Tabletten, die sie erst krank machten. Shishir dachte darüber nach, wie es wäre, dieses Leben zu beenden. »Ich war total allein«, so sagt sie. »Ich versuchte die ganze Zeit zu beweisen, dass ich existieren darf.«

Sie arbeitet als Tänzerin und am Theater und finanziert sich so endlich eine Hormonbehandlung. Sie fängt an, sich als Transfrau vorzustellen. Dann hört sie von einem Regisseur, ein TV-Sender suche eine Moderatorin für ein neues Format. Zuerst zögert sie. Dann schickt sie die Bewerbung.

Es folgten die drei Minuten Anfang März, die alles verändern.

8.3.2021, Dhaka: Das Fernsehstudio des Privatsenders Boishakhi ist hell ausgeleuchtet, an der Decke hängen Heliumballons in Lila. Dann tritt Tashnuva Shishir ins Bild, sie hält einen Moderationszettel in der Hand, setzt sich an das große Pult in der Mitte. Während sie live die Nachrichten des Tages ansagt, läuft unten ein Banner durchs Bild. »Shishir takes to airwaves for first time«, steht da, »Shishir zum ersten Mal on air«, und: »Transgender becomes Anchor, creates history«.

Shishir wird die erste Trans-Nachrichtensprecherin ihres Landes. Medien in der ganzen Welt berichten plötzlich von ihr und ihrem Leben, die »New York Times«, die Deutsche Welle, »Al Jazeera«. Ihr Auftritt wird als »erdbebenhaft« für die Trans-Community in Bangladesch eingeschätzt. Als großer Durchbruch in dem konservativ-muslimischen Land, in dem 160 Millionen Menschen leben, davon nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen bis zu 500.000 Transpersonen – meist am Rand der Gesellschaft.

Denn zwar erkennt Bangladesch, ähnlich wie Pakistan, Nepal und Indien, seit dem Jahr 2013 ein drittes Geschlecht an – als »Hijras« werden dort Trans- oder intersexuelle Menschen bezeichnet, denen das männliche Geschlecht zugewiesen wurde, die sich aber als weiblich identifizieren. Doch Transpersonen sind weiter oft extremer Armut ausgesetzt, werden verstoßen, als sündhaft oder krank diskriminiert, haben schlechteren Zugang zu Bildung, betteln oder prostituieren sich, um zu überleben. Sie werden überdurchschnittlich oft angegriffen, vergewaltigt, ermordet.

Als Shishir sich ein paar Wochen später bei einem WhatsApp-Telefonat an ihren ersten Auftritt erinnert, sagt sie: »Ich zitterte, ich weinte, als die Kamera ausging. Ich spürte: Etwas ist passiert in diesen drei Minuten.«

Shishir sagt: »Es muss sich noch viel ändern in Bangladesch. Transgender-Rechte müssen ins Gesetz geschrieben werden. Wir müssen auch eine Familie gründen dürfen. Wir müssen mehr tun, damit unsere Community nicht mehr auf der Straße landet oder von den Schulen fliegt.«

Dann sagt sie: »Aber durch meinen Auftritt haben Transpersonen in meiner Heimat zum ersten Mal eine Bühne. Ein Gesicht. Wir brauchen eine Plattform, damit wir gesehen werden.«

Reflexartig werden Menschen, die erreicht haben, was Shishir gelungen ist, oft gefragt: Wie hast du das geschafft? Woher die Kraft und das Selbstbewusstsein? Shishir sagt dann, dass sie immer geglaubt habe, dass etwas im Leben auf sie warten würde. In den schlimmsten Momenten habe sie gelesen, über Stephen Hawking oder andere Menschen, die oft im Leben kämpfen mussten, aber ihre Hoffnung nicht verloren haben. Die Wahrheit ist vielleicht sogar, dass Shishir nicht weiß, woher ihre Kraft gekommen ist. Am Ende hat sie es einfach: getan.

Der Nachrichtensender, der Shishir einstellte, sagt über seine Entscheidung, man hoffe, dass, was Transpersonen angehe, »die Gesellschaft ihr Verhalten überdenkt«.

Die Frage ist, wie viele Bühnen Transpersonen noch zum ersten Mal besteigen müssen, bis Gesellschaften überall auf der Welt anfangen, ihr ausgrenzendes Verhalten zu überdenken.

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